Was ist eine Okarina?

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Die Okarina ist ein Blasinstrument mit einem einzigartigen, reinen Klang. Sie besteht üblicherweise aus Keramik und ist für ein breites Spektrum an Musik geeignet, das von langsamen, traurigen Melodien bis zu raffiniert ausgeschmückten Weisen reicht. Die meisten Okarinas sind klein und lassen sich leicht in die Hosentasche oder einen kleinen Beutel stecken, sodass Sie darauf spielen können, wo immer es Ihnen gefällt.

Abbildung einer querliegenden Okarina in D

Das kennzeichnende Merkmal einer Okarina ist die Verwendung einer Hohlkammer anstelle eines Rohrs zur Klangerzeugung, kombiniert mit einer kanalisierten Stimmgebung, ähnlich wie bei einer Blockflöte. Es ist diese Verbindung, die dem Instrument seinen sagenhaften Ton verleiht.

Die Geschichte der Okarina

Instrumente, die eine Hohlkammer zur Klangerzeugung nutzen, gibt es schon seit Jahrtausenden. Viele Kulturen haben ähnliche Instrumente wie die Okarina hervorgebracht, darunter verschiedene südamerikanische Kulturen, Mexiko und Asien. Es ist wahrscheinlich, dass diese Instrumente im Laufe der Menschheitsgeschichte in den Kulturen unabhängig voneinander entdeckt wurden.

Diese frühen Ausführungen sind oft wie Vögel und andere Tiere gestaltet und können verwendet werden, um die Geräusche der Natur nachzuahmen. Verschiedene Varianten wurden entwickelt, um Geräusche wie Vogelrufe, Heulen (z. B. die mexikanische ›Todespfeife‹) und raschelnde Blätter zu erzeugen.

Im 19. Jahrhundert gab es in einer kleinen Stadt in Norditalien namens Budrio eine Tradition von Okarinas. Es waren kleine Keramikflöten in Form einer Gans, mit einem oder zwei Fingerlöchern, mit denen die Geräusche eines Vogelrufs nachgeamt werden konnten. Diese Flöten sind der Ursprung des Begriffs Okarina, der in einem früheren italienischen Dialekt kleine Gans bedeutet.

Giuseppe Donati und seine Okarina

Ein Mann namens Giuseppe Donati erkannte das Potenzial, sie zu einem ernsthaften Musikinstrument zu entwickeln. Er war ein in Budrio ansässiger Ziegelhersteller, der auch Klavier, Orgel und Klarinette spielte. In seiner Freizeit experimentierte er mit den Brennöfen seines Arbeitgebers, um seine Instrumente zu brennen.

Nach vielen Versuchen entschied Donati sich für einen kegelförmigen Körper, da er ihn ergonomischer fand. Er entwickelte dafür ein Zehn-Loch-Griffsystem, das auf eine westliche Tonleiter abgestimmt war. Sein Griffsystem ist heute die Basis der meisten Okarinas und ermöglicht es, chromatisch über eine Oktave und eine Quarte zu spielen.

Anmerkung

Chromatisch ist ein Begriff aus der Musik und bedeutet, dass alle zwölf Noten pro Oktave gespielt werden. Auf einem Klavier entspricht das sowohl den weißen als auch den schwarzen Tasten einer Oktave. Die ›weißen Tasten‹ sind die Noten der C-Tonleiter, und die ›schwarzen Tasten‹ sind die chromatischen Noten. Weitere Informationen finden Sie auf der Seite Oktaven- und Tonleiterbildung.

Donatis transversale (querliegende) Okarinas haben eine kegelförmige Kammer mit einer Spitze an beiden Enden. Sie besitzen acht Fingerlöcher an der Oberseite, dazu zwei Daumenlöcher. Die beiden Bilder unten zeigen eine Okarina von Menaglio, einem modernen Hersteller, der die Tradition von Budrio fortführt.

Italian ocarina shaped like a cone, with a mouthpiece on the side and finger holes on the surface.
An Italian ocarina shown from the underside with the sound hole in the middle, and thumb holes to the left and right.

Aufgrund ihrer Physik haben Okarinas nur einen kleinen Tonumfang. Donati umging dieses Problem, indem er Okarinas mit einem Tonumfang im tiefen Bassbereich bis zu hohen Sopran-Instrumenten entwickelte. Er gründete mit seinen Musikerfreunden, die diese Instrumente benutzten, eine Gruppe namens Gruppo Ocarinistico Budriese (Die Okarina-Gruppe von Budrio, GOB), wobei verschiedene Musiker verschiedene Tonhöhenbereiche abdeckten.

Am Anfang (1865) umfasste die Gruppe fünf Musiker, bevor sie im Jahr 1869 auf sechs und schließlich auf sieben Mitglieder anwuchs. Im Okarina-Museum von Budrio gibt es Abbildungen von Zeitungsartikeln, in denen über Aufführungen der Gruppe aus den Jahren 1869 bis 1877 in Österreich, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und anderen Ländern berichtet wird. Die Gruppe existiert bis heute.

An ensemble of 7 Italian ocarina players in the theatre in Budrio. The GOB, Budrio ocarina group.

Aufgrund ihrer Physik sind Okarinas mit tiefem Tonumfang physisch größer als solche mit einem Tonumfang im hohen Bereich. Der Umfang der tiefsten allgemein verfügbaren Okarina beginnt etwa bei C3 und derjenige der höchsten etwa bei C6. Tiefer oder höher klingende Okarinas wurden als Einzelexemplare hergestellt, befinden sich aber für gewöhnlich nicht in Produktion. Siehe Stimmungen und Tonhöhenbereiche von Okarinas.

A selection of Italian ocarinas with tuning plungers and split right pinky finger holes allowing the low sharp to be played.

Die italienische Okarina verbreitete sich in ganz Europa. Andere Hersteller kopierten und verbesserten das Design, indem sie etwa Stimmkolben hinzufügten, wie sie auf dem obigen Bild zu sehen sind. Es wurden auch Mehrkammern-Instrumente entwickelt, mit denen auf einer einzelnen Okarina ein größerer Tonhöhenbereich gespielt werden kann.

Eine interessante Randnotiz in der Geschichte des Instruments ist, dass einige südamerikanische Musiker einen Auftritt des GOB in Lissabon erlebten und um 1880 in Brasilien ein Okarina-Septett gründeten. Leider gingen daraus keine weiteren Gruppen hervor, daher starb die italienische Okarina in Südamerika aus.

Die Okarina in Asien und die Entwicklung von Nebenlöchern

Die Okarina gelangte irgendwann in den 1930er Jahren nach Japan und wurde dort zum ersten Mal von Aketagawa hergestellt. Sie wurde in Japan populär, als ein Musiker namens Sojiro in einem beliebten Dokumentarfilm mit dem Titel Great Yellow River auf der Okarina spielte. Heute wird die Okarina in China, Japan und Korea auf hohem Niveau gespielt.

Das asiatische Design der Okarina unterscheidet sich deutlich von den italienischen Instrumenten. Sie besitzen einen längeren Endbereich und gerundete Formen. Asiatische Hersteller entwickelten auch Okarinas mit Doppel- oder Nebenlöchern, wodurch die Anzahl der Fingerlöcher von zehn auf zwölf erhöht wurde.

A diagram of a 12 hole ocarina depicting the subholes. Subholes are small additional finger holes placed besides other holes. They are used by covering 2 holes with one finger, and allow lower notes to be played.

Die Nebenlöcher werden verwendet, indem beide Löcher mit der Fingerbeere eines einzelnen Fingers abgedeckt werden. Damit könnten tiefere Noten gespielt werden als mit einer Zehn-Loch-Okarina. Ansonsten ist das Griffsystem gleich. Die Unterschiede werden in Eine Einführung in das Griffsystem der Okarina erläutert.

A 12 hole ocarina made by Ross of Oberon Ocarinas.

Die Okarinas sind aus dieser asiatischen Tradition durch die Mainstream-Medien in das westliche Bewusstsein zurückgekehrt. In den 1990er Jahren trat eine Okarina in dem Videospiel The Legend of Zelda: Ocarina of Time auf, das bis heute populär geblieben ist.

Einige der Leute, die das Spiel spielten, fanden heraus, dass die Okarina ein echtes Instrument ist. Sie lernten, darauf zu spielen, und begannen, Anleitungsvideos auf Websites wie YouTube zu veröffentlichen. Die musikalische Leistungsfähigkeit des Instruments ist durch David Erick Ramos und andere bekannter geworden.

Mehrkammern-Okarinas

Eine Zweikammern-Okarina

Auf den meisten Blasinstrumenten ist es möglich, durch härteres oder weicheres Blasen Noten in verschiedenen Oktaven zu spielen. Okarinas können das jedoch nicht. Jede diatonische Note hat ihr eigenes Loch, und der Tonumfang, der mit einer einzigen Kammer erreicht werden kann, ist aufgrund physikalischer Umstände auf etwas mehr als eine Oktave begrenzt.

Um diesen Umfang zu erweitern, wurden Mehrkammern-Okarinas entwickelt. Auf der Seite für die rechte Hand befinden sich bei diesen Okarinas zusätzliche, kleinere Kammern, die für höhere Töne gestimmt sind. Mehrkammern-Okarinas können bis zu vier Kammern umfassen, womit sich ein Tonumfang von etwas mehr als drei Oktaven ergibt.

Diese Okarinas wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt, und die meisten Hersteller führten sie in ihren Produktkatalogen.

Mehrkammern-Okarinas bieten jedoch weitere Vorteile, die über den bloßen Tonumfang hinausgehen. Sie klingen oft besser, da die Aufteilung des Tonhöhenbereichs auf mehrere Kammern den Herstellern auch mehr Möglichkeiten bietet, die Grenzen zu umgehen, welche sich durch die Physik des Instruments ergeben. Sie können auch ergonomische Vorteile haben, da sie kein Loch für den rechten Daumen benötigen.

Zur Verwendung des Wortes Okarina

Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Buches ist der Begriff Okarina in seiner Verwendung nicht eindeutig. Viele Leute benutzen das Wort als Bezeichnung für alles, was eine Hohlkammer für die Klangerzeugung verwendet, von einfachen Geräuschmachern bis zu den oben beschriebenen ernsthaften Konzert-Instrumenten.

Daher ist es von großer Bedeutung, dass alle, die das Instrument ernsthaft spielen möchten, sich der verschiedenen Arten von Okarinas bewusst sind, die es gibt, und wie man sie allein an ihrem äußeren Erscheinungsbild erkennt. Unterscheidungen wie etwa transversale oder querliegende Okarina existieren, werden aber selten verwendet.

Es ist eine unglückliche Situation, die dazu führt, dass Menschen versuchen, das Spiel auf der Okarina mit Instrumenten von schlechter Qualität zu lernen. Oder sie erwerben ein Exemplar, das nie als ernsthaftes Instrument konzipiert wurde, haben dann große Mühe damit und klingen schlecht, ohne etwas dagegen tun zu können. Hoffentlich wird sich diese Situation mit der Zeit verbessern.

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