Was können Okarinas?

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Um die Fähigkeiten von Okarinas zu verstehen, ist es essenziell, den richtigen Standpunkt einzunehmen. Die Okarina ist ein Instrument mit Einschränkungen, das in bestimmten Situationen hervorragend funktioniert. Alle Instrumente haben jedoch ihre Stärken und Schwächen. Bei musikalischen Darbietungen besteht deshalb ein großer Teil der Kunstfertigkeit darin, die Situationen zu kennen, in denen sich ein bestimmtes Instrument behaupten kann.

Auf Okarinas kann eine breite Vielfalt von Musik gespielt werden, von lyrischen Lie­dern bis zu fröhlichen schottischen Tanzmelodien. Ihre musikalische Funktion ähnelt der Tin Whistle (Zinnpfeife), der schottischen Sackpfeife (Scottish Smallpipe) und der französischen Cornemuse du Centre (eine Art Dudelsack). Es sollte jedoch erwähnt werden, dass sich Okarinas beim Spielen ganz anders anfühlen als andere Blasinstrumente.

An ensemble of 7 Asian ocarina players.

Okarinas werden unter anderem in folgenden Szenarien gespielt:

  • Solo,
  • im Ensemble mit anderen Okarinas,
  • zusammen mit anderen Instrumenten.

Als Instrument verlangt die Okarina einen kreativen Ansatz von den Spielern, da sie gegenwärtig in keinem musikalischen Genre eine etablierte Rolle hat. Aufgrund ihres prominenten Tons kann sie in erster Linie für die Führung der Melodie verwen­det werden. Daher eignet sie sich gut für Zwischenspiele in einem Musikstück, aber ich würde nicht empfehlen, zusammen mit einem Sänger zu spielen.

Ich habe bisher sowohl mit Gitarrenbegleitung als auch solo gespielt und fand die Okarina äußerst effektiv als führendes Instrument in Live-Auftritten. Ihr reiner Klang steigt immer an die Spitze eines gemischten Ensembles und erhebt sich sogar über eine lärmende Menschenmenge. Sie zieht auf wirkungsvolle Weise die Aufmerk­samkeit der Menschen auf sich und konnte das Publikum bei Veranstaltungen wie Offenes Mikrofon oft zum Schweigen bringen.

Die Okarina-Gruppe von Budrio (Gruppo Ocarinistico Budriese, GOB) spielte beim Budrio Ocarina Festival mit einem lokalen Orchester, was sehr effektiv war.

Technische Fähigkeiten

Artikulation

Der Begriff Artikulation bezieht sich auf die Art und Weise, wie die Töne beim Spie­len voneinander getrennt werden. Auf der Okarina können Noten auf verschiedene Weisen artikuliert werden:

  • Durch Verwendung der Zunge. Noten können mit der Zunge artikuliert werden, um den Ton des Instruments zu starten und zu stoppen (Zungenschlag).
  • Die Tonhöhe ändern. Mehrere Noten können miteinander verbunden werden, indem man in einem kontinuierlichen Atemzug von einer Note zur anderen wechselt.
  • Durch Verwendung der Finger. Noten können getrennt werden, indem ein höherer oder niedrigerer Ton so kurz erklingt, dass er als atonaler Impuls oder Klick wahr­genommen wird. Diese Klicks können auf die gleiche Weise wie der Zungenschlag eingesetzt werden.

Verzierungen

Mit Okarinas können zahlreiche Verzierungen ausgeführt werden, einschließlich:

  • Atem- und Fingergleiten (Anschleifen),
  • Vibrato,
  • Triller,
  • Doppelschläge,
  • Mordents (einfache Triller),
  • Vorschlagnoten.

Auch keltische Verzierungen wie rolls, cranns und strike cranns können verwendet werden.

Klangfarbe

Okarinas können für vielfältige Klangfarben konzipiert werden, von helltönend bis deutlich rauschend. Diese Unterschiede entstehen, indem Größe und Form des Schalllochs verändert und bei der Herstellung des Instruments sozusagen ›in Stein gemeißelt‹ werden.

  • In Italien hergestellte Okarinas haben tendenziell einen eher texturierten Klang.
  • Asiatische Okarinas klingen im Allgemeinen reiner.

Eine Änderung der Klangfarbe wird meist durch den Wechsel zu einer anderen Okarina erreicht, aber es gibt einige Möglichkeiten, sie auch während des Spiels zu beeinflussen:

  • Durch Summen oder Singen beim Blasen;
  • Durch Ändern des Griffs und härteres oder weicheres Blasen;
  • Durch Variieren des anfänglichen Blasdrucks. Das abrupte Anblasen einer Note mit hohem Druck kann dazu führen, dass die Okarina kurz quietscht. Damit wird ein Schlageffekt erzeugt.

Volumendynamik

Die Erzeugung von Volumendynamik auf einer Okarina ist etwas herausfordernd, da die Tonhöhe des Instruments stark mit dem Blasdruck variiert.

Ein Ton erklingt auf dem Instrument nur dann stimmig, wenn er genau mit dem richtigen Druck geblasen wird. Um Volumendynamik zu erzeugen, müssen daher Blasdruck und Griff gleichzeitig gewechselt werden.

  • Um die Lautstärke zu erhöhen und dennoch die Tonhöhe zu erhalten, müssen Sie ein Loch ganz oder teilweise bedecken und stärker blasen.
  • Um die Lautstärke zu verringern, müssen Sie das Gegenteil tun, also ein Loch ganz oder teilweise öffnen und sanfter blasen.

Mikrotöne

Mikrotöne sind Noten, deren Tonhöhe zwischen dem Standard von zwölf Tönen pro Oktave in der westlichen Musik liegt. Diese Töne auf der Okarina zu erzeugen, ist aufgrund der veränderlichen Tonhöhe des Instruments sehr einfach.

Es muss nur ein Griff für einen Ton in der Nähe der gewünschten Tonhöhe gewählt und der Blasdruck erhöht oder verringert werden, um die gewünschte Tonhöhe zu erreichen. Um dies zuverlässig durchzuführen, bedarf es eines gut trainierten Gehörs, eines sauberen Griffs und einer genauen Atemkontrolle.

Ausdruck erzeugen

Da sich ihre Tonhöhe mit dem Blasdruck ändert, klingen Okarinas für jeden Griff nur mit dem passenden Druck stimmig. Die Erzeugung von Volumendynamik ist also technisch möglich, aber in der Praxis wird musikalischer Ausdruck meist durch vielfältige Artikulationen und Verzierungen erzeugt.

Nutzung der eigenen Volumendynamik des Instruments

Okarinas haben eine natürliche Volumendynamik, wobei die hohen Töne deutlich lauter klingen als die tiefen Töne. Wenn Sie Ihre eigene Musik komponieren, sollten Sie dies berücksichtigen. Sie können auch nach vorhandener Musik suchen, bei der die starken Noten immer höhere Noten sind.

Unterschiedliche Artikulation

Noten können hervorgehoben werden, indem sie mit verschiedenen Artikulationen oder Verzierungen gespielt werden. Zudem können sie durch Verkürzung der Notendauer abgeschwächt werden. Kurze Stakkato-Noten erzeugen den Eindruck einer geringeren Lautstärke.

Das Hinein- oder Herausgleiten (Rutschen) mit dem Atem kann einen Eindruck von Volumendynamik erzeugen. Diese Technik sollte jedoch behutsam verwendet werden und immer im Einklang beginnen oder enden.

Unterschiedliche Tonhöhen

Die instabile Tonhöhe der Okarina kann auch ein effektives Ausdrucksmittel sein. Mit Vibrato (einer feinen rhythmischen Variation der Tonhöhe) kann die Aufmerksamkeit auf bestimmte Noten gelenkt werden. Auch das absichtliche Spielen einiger Noten außerhalb der Tonart kann ausdrucksvoll eingesetzt werden, ähnlich wie Bluestöne (blue notes) in Blues- und Jazzmusik.

Was Okarinas nicht gut können

Wie bei allen Instrumenten gibt es auch bei Okarinas eine Reihe von Anwendungen, für die sie von Natur aus ungeeignet sind:

Gesangbegleitung

Meines Erachtens funktionieren Okarinas nicht so gut als Begleitung für Gesang. Ihr Ton ist eher schneidend und neigt dazu, sich in einer Gruppe von verschiedenen Instrumenten an die Spitze zu erheben und der Führung den Fokus zu nehmen. Sie eignen sich jedoch gut für Zwischenspiele.

Musik, die eine genaue Kontrolle der Volumendynamik erfordert

Wie bereits erwähnt, bewirkt die innewohnende Volumendynamik der Okarina, dass die hohen Töne viel lauter klingen. In einigen Musikstücken funktionieren Okarinas deshalb hervorragend, aber sie klingen schrecklich, wenn etwa ein lauter tiefer Ton gespielt werden soll.

Musik, die einen großen Tonumfang erfordert

Okarinas haben einen begrenzten Tonumfang. Daher gibt es eine Menge Musik, die man nicht damit spielen kann.

Mit Mehrkammer-Okarinas kann diesem Problem begegnet werden, aber auch damit sind nicht alle Stücke spielbar. Einige Notenübergänge sind technisch schwierig, daher sollte die Musik sorgfältig ausgewählt werden.

Abschluss

Viele Menschen glauben, dass Instrumente eingebaute Fähigkeiten hätten. So wird die Blockflöte oft als Instrument für Kinder abgetan, während Violine und Klavier als ›echte‹ Instrumente gelten, nach denen geübte Musiker streben sollten. Wenn Sie diese Annahme jedoch überprüfen, werden Sie feststellen, dass sie fehlerhaft ist. Sowohl die Blockflöte als auch die Violine und das Klavier sind unbelebte Gegenstände. Alles, was sie alleine tun können, ist, Staub zu sammeln.

Aufgrund ihrer Betrachtung in der Kultur gibt es für Violine und Klavier zahlreiche virtuose Spieler, die wirklich bewegende Darbietungen schaffen. Da viele Menschen auf die Blockflöte herabblicken, entdecken nur wenige ihr volles Potenzial. Aber wenn Sie tiefer in dieses Thema eintauchen, werden Sie auch Virtuosen der Blockflöte begegnen. Mit ihren scheinbar einfachen und beschränkten Instrumenten erzeugen diese Künstler wirklich atemberaubende Musik.

Äußerlich einfache Instrumente verbergen ihr Potenzial oft unter ihrem Aussehen, und die Okarina gehört dazu. Wenn Sie ihr Potenzial jedoch erforschen, werden Sie feststellen, dass die Okarina leistungsfähiger ist, als Sie denken.

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